Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie

GRENZGÄNGER zwischen Kunst und Psychiatrie
Hartmut Kraft
DuMont

Bis in das 20. Jahrhundert hinein wurden die schöpferischen Arbeiten psychiatrischer Patienten für wertlos erachtet und allenfalls als Kuriositäten gesammelt, da sie nicht mit dem klassischen Kunstideal übereinstimmten. Erst 1922 gelangte durch Hans Prinzhorns grundlegende Arbeit die
»Bildnerei der Geisteskranken« als ein faszinierendes Gebiet menschlichen Ausdrucks in das Bewußtsein der Öffentlichkeit, der Künstler und der Kunstliebhaber.
Inzwischen sind mehr als sechzig Jahre ver-gangen, und der Grenzbereich zwischen Kunst und Psychiatrie ist aus verschiedenen Blickwinkeln erforscht worden (z. B. von Kunsthistori-kern, Psychologen, Psychiatern und Psychoana-lytikern). Randzonen der Kunst erfahren heute eine immer stärkere Beachtung. Der leichtfertig ausgesprochenen Nähe von »Genie und Wahn-sinn« steht eine Fülle differenzierter Erkenntnisse und Erfahrungen gegenüber. Zu dieser Öffnung hat wesentlich die Einsicht beigetragen, daß die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit nicht genau zu bestimmen sind: Allzusehr hängen sie vom medizinischen Erkenntnisstand und von gesellschaftlichen Konventionen ab.
Das Schwergewicht des Buches liegt - nach einem Abriß zur Geschichte der Psychiatrie - auf detailliert geschilderten und illustrierten Fallstu-dien, anhand derer der Autor die Zusammenhänge zwischen Lebens- und Krankheitsgeschichte und dem bildnerischen Werk einsichtig macht. Dabei gelangt er zu überraschenden Be-wertungen. Am Beispiel von Vincent van Gogh zeigt er die Grenzen eines psychiatrisch orientierten Zugangs zur Kunst auf, wohingegen er etwa bei Alfred Kubin die auffallenden psychodyna-mischen Bedingungen der Stilentwicklung dar-stellt.
Die rund dreißig Einzeldarstellungen diesem Buch (u.a. Adolf Wölfli, Friedrich Schrö-der-Sonnenstern, Gustav Mesmer, Blalla W.